Folge 16: Weinsprache (3)

Nie mehr einen Wein kaufen, der Euch nicht schmeckt: Mit ein bisschen Weinsprache und Übung ist das kein Problem. Wir zeigen Euch, wie es geht. 
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Das wichtigste vorweg: am Ende dieser Folge seid Ihr vielleicht noch keine Weinkenner – aber Ihr verfügt über den Werkzeugkasten der Profis. Wendet ihn ein paar Wochen auf jeden Wein an, den Ihr trinkt und es wird Euch fortan leicht fallen Euren Geschmack in Worte zu fassen. Und so beschreibt man Wein:

Säure im Wein

Geschmacklich stellt Säure das Gerüst eines Weines dar. Steht es prall und fest verankert da, verleiht es dem Wein Kontur und Frische – das gilt auch für Rotweine, selbst wenn diese im Schnitt weniger Säure enthalten als weiße. Verfügt der Wein über zu wenig Säure schmeckt er fad, lasch oder schlaff und genau diese Worte wählt Ihr zukünftig, um einen solchen Wein zu beschreiben. Hat der Wein wenig Säure aber von allem anderen ausreichend, also Aromen, Alkohol, Körper, dann wirkt er meistens ‚breit‘. Ist die Säure spürbar aber für Ihren Geschmack etwas zu mild, sagt es exakt so: ‚zu mild‘. Erreicht sie den Sollwert, ist angenehm spürbar, stützt den Wein und verleiht ihm Frische ohne zu dominieren, dann verwendt Ihr entweder das überkandidelte Wörtchen ‚akzentuiert‘ oder Ihr sagt einfach ‚schöne Säure‘. Gibt sich die Säure eine Stufe lauter, ohne den Wein zu ruinieren, heißt das ‚prononciert‘ oder – weniger affig – ‚säurebetont‘ beziehungsweise ‚mit knackiger Säure‘. Das ist einerseits ein neutrales Urteil, enthält andererseits schon eine Warnung an Säure-Allergiker. Dominiert die Säure derart, dass nur Masochisten Hurra schreien, dann nennt es, wie Ihr wollt. Wir lieben den Begriff Säuremonster, Ihr könnt Euch einen eigenen ausdenken. Erstaunlicherweise sagt man aber nie ‚der Wein ist sauer‘. Warum diese nahe liegende Formulierung tabu ist, wissen wir auch nicht.

Süße

Wein enthält Zucker, selbst wenn er geschmacklich trocken ist. Zum einen vergären nur Fructose und Glucose zu Alkohol, die Pentosen bleiben als ‚unvergärbarer Zucker‘ im Wein. Diese machen aber meist nicht einmal ein Gramm aus. Zum anderen gären viele Weine nicht so lange, bis Nullkommanull Gramm Zucker übrig sind, sondern stellen die Gärtätigkeit vorher ein. Daher haben viele Weine einen Restzuckergehalt im Bereich einiger weniger Gramm Zucker pro Liter. Die Bezeichnung trocken gestattet der Gesetzgeber in Deutschland Weinen, deren Restzuckergehalt maximal zwei Gramm höher als ihr Säuregehalt ist, höchstens jedoch 9 Gramm pro Liter beträgt. Um es klar zu sagen: Das schmeckt nicht immer trocken. Andererseits schmeckt nicht nur Zucker süß, auch Alkohol und einige Fruchtaromen wecken in uns den Eindruck von Süße. Die Rebsorte Chenin Blanc beispielsweise kann herrlich fruchtig-süße Weine hervorbringen, die analytisch staubtrocken sind.

Schmeckt ein Wein für Euch (denn Süße-Empfinden ist wie die Säurewahrnehmung höchst subjektiv) vollkommen trocken, dann nennt es so. Vollkommen trocken, staubtrocken, furztrocken (jaja…) oder knochentrocken – sucht Euch was aus. Mit einem Hauch schmeckbarer Süße fängt das Problem an. Soll man süß sagen oder fruchtig? Es gibt für Viele einen Unterschied und einige behaupten, sie könnten erschmecken, ob die Süße von Zucker, Frucht oder Alkohol stammt. Also bleibt subjektiv: Ich finde den Wein angenehm/unangenehm/etwas zu/unpassend/ süß(lich). Solange Ihr euch dem Thema auf immer die gleiche Art nähert, könnt Ihr aus jeder dieser Beschreibungen Euren Nutzen ziehen. Einfacher gestaltet sich die Beschreibung, wenn der Zucker den Wein unangenehm beherrscht. Dann ist er pappig und das ist nie nett gemeint. Allerdings ist beileibe nicht jeder süße Wein pappig, nur dann, wenn der Süße kein Spiel zu Hilfe eilt.

Spiel

SäureNein, Spiel ist kein Inhaltsstoff von Wein, sonst wäre der ein Überraschungsei. Die Beschreibung von Säure und Zucker für sich allein wird der Wirkung dieser beiden Inhaltsstoffe aber nicht gerecht. Wir müssen über das Zusammenspiel von beiden sprechen und das nennt der Weinfreund Süße-Säure-Spiel oder einfach Spiel. Sowohl Säure als auch Zucker haben eine magische Eigenschaft: Sie entfalten im Zusammenspiel mit anderen Stoffen eine andere Wirkung als für sich allein. Die gleiche Menge Zucker in Milch, Wasser und Kaffee gelöst, ergibt an unserem Gaumen unterschiedliche Süßegrade. Säure pur oder in Wasser gelöst schmeckt erheblich saurer als in gehaltvollen Stoffen gelöst. Dabei puffern einerseits Zucker und Säure ihre Wirkung gegenseitig, andererseits nehmen auch alle anderen Inhaltsstoffe beiden Ihre Wirkung. Ein sehr extraktreicher Wein, mit vielen Aromastoffen, hohem Alkohol und Gerbstoffgehalt verträgt Zucker besser als ein dünner leichter Tropfen, selbst wenn beide den gleichen Säuregehalt aufweisen. Deswegen schmecken manche Weine mit 10 Gramm Restzucker trocken und andere mit der gleichen Menge Zucker süß.

Im Idealfall spielt der Wein also mit unserer Zunge. Wir nennen das lebendig, animierend oder einfach ‚schönes Spiel‘. Fällt der Effekt aus, sagen wir ‚wenig Spiel‘ oder ähnliches und berauscht uns der Wein mit grandiosem Tänzeln auf der Zunge, lassen wir uns dazu hinreißen das Wort ‚vibrierend‘ in den Mund zu nehmen, letzteres begegnet uns fast ausschließlich bei Weißwein. Stehen Säure und Süße auf unangenehme Art nebeneinander beschreiben wir das mit einfachen Worten oder wir machen Witze, der Wein erinnere an Nummer 46 bei unserem Lieblingschinesen: Hühnchen süßsauer.

Alkohol im Wein

Alkohol ist ein Geschmacksverstärker. Alkohol macht beschwipst. Alkohol schmeckt süßlich. All das macht niedrig dosierten Alkohol in Maßen konsumiert zu einem prima Genussmittel.

In der Hauptsache liegt der Alkohol als Ethanol vor. Die anderen Alkohole heißen höherwertig, was allerdings ebenso wenig eine Qualitätsaussage ist wie der ebenfalls gebräuchliche Ausdruck ‚Fuselöle‘. Beides bezeichnet einfach die chemischen Eigenschaften dieser Alkohole. Glyzerin ist ein weiterer Alkohol im Wein. Es sorgt für ein volles Mundgefühl und schmeckt süß. Wie für Säure und Zucker gilt auch für Alkohol: Der reine Analysewert sagt wenig aus. Weine mit 15 Prozent müssen nicht brandig schmecken und solche mit 10 können unangenehm alkoholisch sein. Letzteres ist häufig bei gleichzeitiger Anwesenheit von Zucker der Fall. Ein lieblicher Wein mit 40 Gramm Zucker und 10 Prozent Alkohol schmeckt für die meisten Konsumenten deutlich alkoholischer als ein staubtrockener mit null Restzucker und 12 Prozent Alkohol.

Die Weinsprache enthält kaum besondere Vokabeln für die Beschreibung von Alkohol. Ist er kaum erkennbar, nennen wir ihn unauffällig, ist er spürbar aber nicht unangenehm sagt Ihr genau das oder beschreibt ihn als ‚gut integriert‘ und sticht er deutlich hervor, beschreibt den Wein als ‚alkoholisch‘ oder – im schlimmsten Falle – ‚brandig‘.

Abgang

Der Geschmack von Wein hallt lange nach im Mund. Ob Ihr dieses Nachspiel Abgang, Nachklang oder Finale nennt, bleibt Euch überlassen. Lediglich ‚Nachgeschmack‘ ist ein ungünstiges weil eher negativ besetztes Wort. Der Abgang kann kurz, mittel oder lang sein. Das ist einerseits subjektiv, andererseits finden wir die Messung des Abgangs mit der Stoppuhr und die Definition, alles ab 20 Caudalie (eigenes Wort für Sekunden bei der Abgangslängenmessung in der Weinwirtschaft) sei gut, zwar genauer aber schrecklich albern. Stoppuhr??? Das verkneifen wir uns bitte. Jenseits von ‚lang‘ herrscht dichterische Freiheit, da darf der Abgang ewig währen, unendlich sein oder niemals aufhören. Dazu solltet Ihr beobachten, ob im Abgang alle Komponenten harmonisch ausklingen oder einzelne die Oberhand gewinnen. Insbesondere Gerbstoffe wirken häufig länger nach als der Rest des Weines. Also notiert man sich in einer Weinbeschreibung für den Hausgebrauch beispielsweise: ‚Langer Abgang, der ein wenig von Gerbstoff dominiert ist‘ oder ‚Mittlerer Abgang, der die schöne Frucht betont‘.

Weinsprache: Und jetzt alles zusammen

Nun haben wir uns mit sechs Faktoren beschäftigt, um zu erklären, wie Wein auf unsere Sinne wirkt (wenn wir Zucker und Säure zum Spiel zusammenfassen): Körper/Mundgefühl, Aromen, Spiel, Alkohol, Gerb- und Bitterstoffe sowie Länge und Harmonie des Abgangs. Einige – die Mehrzahl – klingen wie eine Drohung. Säure, Gerbstoff, Süße, Alkohol – bietet man einem unbedarften Konsumenten einen Wein an und fragt, wie hättest Du es denn gerne in Bezug auf unsere sechs Faktoren, dann wird er wahrscheinlich antworten: bitte nicht so viel Säure, um Himmels Willen nicht so viel Alkohol, bloß keinen Zucker, bitte nicht zu dick/wuchtig/stark und nicht so viel Gerbstoff oder gar Bitterstoffe. Erfüllt man ihm dann diesen Wunsch, serviert man im Zweifelsfall den langweiligsten Wein, den der eigene Keller hergibt. Schrecklich sind auch diejenigen Weine, die von allem reichlich haben. Der erste Schluck ist eine Sensation, ab dem zweiten ist man satt. Die richtige Dosis liegt aber nicht irgendwo in der Mitte. Beobachtet Euch und Eure Reaktion auf Weine eine Weile entlang dieser sechs Effekte und sehr wahrscheinlich werdt Ihr feststellen, dass es Aspekte gibt, zu denen Ihr eine grundsätzliche Meinung habt (einige mögen keinen Wein mit viel Alkohol, andere stören sich eher an Bitterstoffen). Andere hängen von der Tagesform ab. Ganz oft ist es aber auch einfach das Einsatzgebiet, welches den größten Einfluss auf Euer Vergnügen mit dem jeweiligen Tropfen hat. Ein gerbstoffreicher Wein mag zum Essen Euer Favorit sein und Euch beim anschließenden Beisammensitzen plötzlich garstig vorkommen. Und – das ist dann die Belohnung für die Mühe – in nicht allzu ferner Zukunft werdet Ihr in Euch hineinhorchen können und schon vor dem Probieren wissen, wonach Euch gerade der Sinn steht. Dann seid Ihr am Ziel.

Zum üben eignen sich selbstverständlich vor allem die Weine aus dem Weinpaket der Webweinschule, die eine besonders breite Palette an Eigenschaften zeigen.

Hier geht’s zum zweiten Teil über Weinsprache, der sich mit dem Thema Körper und Mundgefühl beschäftigt.

Und hier zum ersten Teil, der sich mit allem beschäftigt, was wir als rau an einem Wein empfinden können.

Kommentare (5)

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Dirk Hüske-Kraus
07. Oktober 2021 um 14:26
Ich habe mir die Lektionen zur Weinsprache angeschaut und muss eine Gratulation loswerden: So klar, korrekt und gleichzeitig unprätenziös habe ich vieles noch nie gelesen. Herzlich Dank, macht weiter so!
Felix
08. Oktober 2021 um 09:37
Danke schön ;-)
Peter Michael Lange
01. November 2020 um 11:48
Ich habe jetzt einige der Folgen angeschaut. Respekt! Das ist die für mich bisher beste Vorstellung eines Weinlexikons. Breit gefächert und unterhaltend dargestellt. Ich habe es sofort an weitere Weinliebhaber empfohlen.
hd
16. April 2015 um 00:30
warum soll wein nicht nach wein schmecken. alles andere is abgangskacke.
Felix
16. April 2015 um 09:50
Wein soll unbedingt nach Wein schmecken.
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