Bittet man einen Einsteiger, seine Eindrücke von einem Wein als formale Weinbeschreibung in Worte zu fassen, kommt häufig etwas vernünftiges raus, wenn man ihn ein bisschen anleitet. Genau das wollen wir hier tun. Nach allem, was irgendwie am Gaumen und auf der Zunge kratzt, schauen wir uns jetzt Volumen, Intensität und Mundgefühl an. Das ist ein weiterer der Eindrücke, die dafür verantwortlich sind, ob Euch ein Wein gefällt: Wie er im Mund wirkt. Die anderen sind, wie schon in Folge 11 angedeutet, die Aromen, das Zusammenspiel von Süße und Säure, der Alkohol, Gerb- und Bitterstoffe sowie der Abgang. Diese sechs Wirkungen des Weins auf Nase und Mund beobachtet Ihr eine Weile und werdet Euch wundern, wie schnell Ihr ein eigenes Bewertungssystem für Wein entwickelt, dass Euch schließlich ans Ziel führt: die Beschreibung Eures eigenen Geschmacks.
Übung macht den Meister und aufzuschreiben ist eine sinnvolle Sache – auch wenn Einsteiger es naturgemäß albern finden sich kleine Verkostungsnotizen mit einer Weinbeschreibung anzulegen. Wir raten Euch dringend dazu und können Euch beruhigen: das müsst Ihr nur ein paar Wochen machen. Den größten Lerneffekt erzielt Ihr dann, wenn Ihr die Notizen nicht nur schreibt, sondern auch regelmäßig lest. Eine Woche nachdem Ihr Eure Eindrücke niedergeschrieben habt, dürfte die Erinnerung an den Wein noch vorhanden sein. Nehmt dann Euer Büchlein, lest Eure Weinbeschreibung und schaut, ob der Wein in Eurem Gedächtnis aufersteht. Wenn nicht, korrigiert Ihr die Notiz oder fügt fehlende Informationen hinzu und lest Sie sie ein paar Tage später wieder. Wenn es Euch mehrfach hintereinander gelingt, einen Wein so zu beschreiben, dass Ihr euch das Kost-Erlebnis anhand der Weinbeschreibung eine Woche später im Geiste zurückholen könnt, seid Ihr den entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Beschreibung Eures Geschmacks weiter gekommen. Danach könnt Ihr es gut sein lassen oder weiter Buch führen, wenn Ihr Blut geleckt haben.
Wein kann intensiv schmecken oder wässrig, er kann im Mund raumgreifend sein oder eher schlank über die Zunge rollen. Intensität und Körper sind nicht das gleiche aber oft sehr eng miteinander verknüpft. Die meisten Weine, die fulminant die Mundhöhle kapern, sind gleichzeitig intensiv im Geschmack. Aber es gibt Ausnahmen und daher unterscheiden wir Volumen (auch Körper genannt) und Intensität, wenngleich die Welt nicht untergeht, wenn Ihr beides erst mal in einen Topf werft. Einen Wein, der sich im Mund gerade eben gegen den Speichel behaupten kann, nennen wir dünn oder wässrig. Das ist ein negatives Urteil, denn ein bisschen mehr als das sollte ein Wein schon bieten. Die nächste Stufe bei der Einschätzung des Volumens ist ‚schlank‘. Diese Aussage ist wertneutral. Ein guter schlanker Weißwein ist schließlich unsere erste Wahl zum zarten Fisch. Wenn der Wein zu schlank ist, dann sagen wir das genau so: zu schlank. Kommt er mit einiger Fülle in den Mund, sprechen Weinfans von ‚mittlerem Volumen‘ oder ‚mittlerem Körper‘. Das ist schwammig und daher häufig gebraucht – aber Wein ist auch keine exakte Wissenschaft. Schlank wäre eine gute Eigenschaft für einen leichten Riesling Kabinett, die Spätlese sollte eher von mittlerem Volumen sein. Wenn der Wein es sich schon bei kleinen Schlucken im Mund so richtig gemütlich macht, verwenden wir das Wörtchen ‚körperreich‘ oder ‚vollmundig‘ – auch wenn die Werbung diesem Begriff durch inflationäre Verwendung mittlerweile einen komischen Klang verliehen hat. Menschen mit süddeutschem Zungenschlag sprechen auch gerne von einem ‚Maul voll Wein‘. Wenn der Wein ein bisschen zu viel von allem hat, der Mund sich nach dem ersten Schluck wie ein Weinglas anfühlt und einen die Wucht des Aufpralls schier umwirft, dann darf man das gerne mit deutlichen Worten kundtun. Ob Ihr fett, überextrahiert, ‚Bombe‘, Trinkmarmelade oder einfach ‚zu voluminös‘ sagt, überlassen wir Euch. In Berlin dürft Ihr auch leise ‚too much‘ seufzen.
Die Intensität des Geschmacks nennen viele Weinfreunde auch ‚Druck‘. Kommt davon zu wenig, sagt es einfach: ‚zu wenig Druck‘. Wenn ein Wein wenig geschmacklichen Druck zustande bringt und eher schlank, trotzdem aber irgendwie wahnsinnig gut ist, dürft Ihr ohne Scham Begriffe wie ‚zart‘ oder ‚filigran‘ in den Mund nehmen. Bei mehr Druck am Gaumen sprecht Ihr entsprechend von druckvollem oder sehr druckvollem Wein. Weine, die bei annehmbaren Volumen zu intensiv schmecken, sind eine Seltenheit und ein richtiges Wort gibt es auch nicht dafür. Vielfach beschreiben Weinfans statt der Eigenschaft die Wirkung: Der Wein macht satt – und das ist eine verhalten negative Aussage.
Das Mundgefühl eines Weines beschreibt ziemlich schwammige Assoziationen, die wir dadurch erhalten, dass wir die Flüssigkeit Wein in den Mund nehmen. Einige gebräuchliche Beschreibungen sind leicht herzuleiten. Ein sehr garstiger Wein, der mit viel zu viel unangenehmen Gerbstoffen daherkommt, verursacht uns eine raues Mundgefühl, doch Beschreibungen wie ‚saftig‘ oder ‚cremig‘ wirken auf Neulinge regelmäßig albern, schließlich ist jeder Wein saftig (außer den rauen vielleicht) und ein Stoff mit der Fluidität von Wein und 6 Promill Säure ist nicht wirklich cremig. Es ist der Vergleich, der zum Ergebnis führt. Sobald Ihr euch einmal zu einer Weinprobe traut, werdet Ihr verstehen, was Worte wie saftig oder cremig in einer Weinbeschreibung ausdrücken sollen.
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