Folge 12: Aromen im Weißwein

Um herauszufinden, was Euch schmeckt, solltet Ihr einen Wein beschreiben können. Wir zeigen Euch, wie das geht und fangen mit Aromen im Weißwein an.
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Die Fragestellung ‚Wonach riecht und schmeckt dieser Wein?’ ist eine knifflige Sache. Wir lasen neulich eine Weinbeschreibung mit unglaublichen 40 Aromen, vorwiegend solchen, die uns nicht sonderlich gegenwärtig sind: Brennnessel, Weißdorn, Efeu und so weiter. Wenn wir so was sehen, erlischt unser Interesse schlagartig. Da will sich jemand wichtig machen. Wenn Ihr beruflich in einer Obstbauversuchsanstalt tätig seid, könnt Ihr unseretwegen in Euren Weinbeschreibungen Unterschiede zwischen acht verschiedenen Arten von Erdbeeren machen – sonst bitte nicht.

Achtung: Spackenalarm!

Es gibt keinen Grund, beim Schnüffeln im Weinglas so angestrengt-ernsthaft dreinzuschauen, wie Felix das im Video vormacht: Wein trinken macht Spaß und man darf dabei lächeln, sonst wirkt man schnell wie ein Weinspacken, zu dem wir Euch nicht ausbilden wollen. Weinspacken Aromen im WeißweinMeist spielt es auch kaum eine Rolle, welche exakten Aromen im Weißwein vorhanden sind. Wir sind noch nie einem Weintrinker begegnet, der konstatierte, er möge Riesling nur, wenn dieser nach Ananas dufte. Wein ist ein sich entwickelndes Getränk. Was heute nach Ananas riecht, erinnert in drei Monaten eventuell an Limone. Diese Einschränkungen bedeuten jedoch nicht, dass Aromen im Wein unwichtig sind. Sie stellen den Kontext dar, in den Ihr Aromen setzen solltet. Ein paar Aromen reichen um einen Wein grob zu charakterisieren, einige sind wichtig, andere nebensächlich.

Erstaunlicherweise findet man ein Aroma sehr selten in Weinen: das von Weintrauben. Dies liegt daran, dass die alkoholische Gärung den Aromenmix von Traubensaft gehörig durcheinander schüttelt. Die meisten Aromen liegen in der Traube in Vorstufen vor, die dann während der Gärung durch verschiedene chemische Prozesse ‚aktiviert‘ werden. Während der Reifung in Tank und Flasche verändern sich die Aromen im Weißwein dann weiter, zum Beispiel durch Veresterung und Oxidation.

Etliche Weine verfügen über typische Ausprägungen, die sich wiederum an Aromen festmachen lassen und dann können einige wenige Aromen ausreichen, einem geübten Weintrinker sehr klar zu vermitteln wie der beschriebene Wein schmecken wird. Wenn das verwirrend klingt, hilft vermutlich ein Beispiel.

Riesling kann alles

Die Rebsorte Riesling ergibt die ganze Bandbreite von leichten bis schweren Weinen. Laut Lehrbuch riecht Riesling meist nach Aprikose und Apfel. Tatsächlich kann Riesling auch nach einem ganzen Korb exotischer Früchte duften: nach Mango, Ananas, Mandarine oder Grapefruit. Daneben zeigen manche Weine aus der Rebsorte auch Aromen von Malz und einige wenige duften ganz zart wie eine Blumenwiese. Wann welcher Duft auftritt, lässt sich nicht zwingend vorhersagen. Der Rückschluss vom Duft auf den Geschmack ist aber durchaus möglich, wenngleich nicht immer zuverlässig. Lesen wir in einer Beschreibung eines Rieslings, er verströme zarten Blütenduft und Noten von Grapefruit erwarten wir einen eher filigranen Wein mit deutlicher Frische, selbst im leicht gereiften Alter von fünf oder sechs Jahren. Steht da hingegen, der Wein verströme den Duft von mürbem Apfel, Malz und Pistazie, erwarten wir einen kraftvollen Wein, der am Gaumen eher klotzt als kleckert und auch dort an mürben Apfel, vielleicht etwas Vanille und sehr reife Aprikose erinnert – und das auch, wenn er erst ein Jahr alt ist. Ob bei einem der Weine noch eine Spur Birne durch das Glas weht, ist völlig egal. Noten von ‚Würze‘ sind immer relevant, weil diese meist auf einen Wein mit deutlichen Reifenoten hinweisen – nicht Reife im Sinne von Trauben-, sondern im Sinne von Flaschenreife. Einige wenige Schlüsselbegriffe erwecken an unserem – in Sachen Riesling sehr geübten – Gaumen ein Geschmacksbild, bei dem wir eine ungefähre Vorstellung vom Wein bekommen ohne ihn selbst trinken zu müssen. Und genau so wird es auch Euch ergehen, wenn Ihr eine Weile die Aromen im Weißwein beobachtet, den Ihr trinkt und Euch merkt, was Euch gefallen oder nicht gefallen hat.

Unabhängig ob rot oder weiß treten im Wein Aromen auf, die vom Alkohol stammen. Auch Gäraromen wie Hefe sind farbunabhängig, ebenso wie Noten von Jogurt (von Milchsäurebakterien), Holz, Toast, Butter, Rauch und Vanille (vom Ausbau in kleinen Holzfässern) sowie diverse Fehlaromen, die in Maßen als tolerabel gelten, etwa Schwefelwasserstoff, verbranntes Gummi, Medizinaltöne und weitere mehr.

Aromen im Weißwein

Verbreitete Aromen im Weißwein sind alle Arten von Kernobst, vor allem Apfel, Birne und Quitte, diverse Beeren, tropische Früchte, jede Menge Grünzeug wie Gras, Kräuter, Blumen, Heu und Stroh, Gemüse (was selten Gutes bedeutet), Nüsse (Nutella kommt auch mal vor) und Gewürze. Ätherische Noten von Minze und Eisbonbon sind keinesfalls selten. Blonden Tabak findet Ihr sicher auch irgendwann in einem Weißwein und hier ist das Adjektiv ‚blond‘ höchst hilfreich, ‚Zigarrenkiste‘ und Pfeifentabak sind nämlich eher Rotweinaromen.

All diese Aromen benennt man bei einer Weinbeschreibung exakt so, wie sie einem in die Nase kommen. Vielen Weinkennern reicht das irgendwann nicht mehr und sie ergänzen die Aromen um Adjektive, das Gras ist dann frisch geschnitten, die Walnuss geschält oder der Pfirsich wild. Wir finden das überflüssig, denn wer kann wirklich mit verbundenen Augen den Unterschied zwischen einem kultivierten und einem wilden Pfirsich erschnüffeln? Manchmal haben wir Verständnis, etwa beim frisch geschnittenen Gras, gelegentlich halten wir es für hilfreich, beim eben erwähnten blonden Tabak zum Beispiel, meistens finden wir es aber einfach albern. Und dann gibt es diese merkwürdigen Aromen, die man nicht einordnen kann oder bei denen ein Gedanke ins Hirn schießt, den auszusprechen man sich nicht traut. Nur zu, Ihr werdet meistens richtig liegen. Wenn Euch beim Schnüffeln an einem Wein der Rebsorte Sauvignon Blanc oder Scheurebe der Gedanke kommt, dass rieche wie ein Katzenklo, dann ist das eine legitime Assoziation. Der Alkohol mit dem chemischen Kürzel 4 MMP riecht für uns Menschen nach Johannisbeere und Stachelbeere und wir riechen ihn schon ab einer Konzentration von 0,8 Nanogramm pro Liter. In hoher Dosis riecht er aber nach Katzenurin – und diese hohe Dosis erreichen nur Weine aus den genannten Rebsorten Sauvignon Blanc und Scheurebe (wenngleich nicht immer).

Also sagt, was Euch durch den Kopf geht, wenn Ihr mögt. Um Euren persönlichen Geschmack zu bestimmen reichen aber auch erst einmal einfache Beschreibungen der wesentlichen Aromen eines Weines.

Aromabar – sinnvoll oder Schnickschnack?

Ein beliebtes Geschenk für Weinanfänger sind Aromensammlungen, meist Aromabar genannt. Diese – erstaunlich teuren – Sammlungen künstlicher Aromen gibt es als Komplettpaket oder als Abo-Modell, bei dem man einen mehr oder weniger hochwertigen Schuber mit ein paar ersten Aromen und dann später regelmäßig weitere Aromen in Kombination mit verschiedenen Weinen zum Ausprobieren erwirbt. Bringt das etwas? Wir wollen uns zurückhaltend äußern, schließlich vertreiben wir ein Probierpaket für den optimalen Lernerfolg, stehen mit dem Weinpaket der Webweinschule also in Konkurrenz zu manchem Anbieter. Aber wir haben es ehrlich ausprobiert und es bringt wenig. Durch Treffer beim Aromenraten oder die Fähigkeit Blaubeere von Brombeere unterscheiden zu können entsteht kein Lerneffekt (außer dass man lernt Blau- von Brombeere zu unterscheiden). Für uns ist das eine Zirkusnummer. Außerdem waren bei dem von uns getesteten Abo-Modell einer Aromabar die mitgelieferten Weine nicht so hochwertig, dass wir sie als aussagekräftig bezeichnen würden. Das ist ein klassisches Spielzeug, das nach kurzzeitiger Nutzung für immer in einer Ecke verstaubt.

Kommentare (1)

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Französin
19. August 2015 um 09:11
Ic liebe Eure Webweinschule. Euer Urteil zur Aromaorgel ist ein bisschen hart: fast alle frz. Haushalte haben ein Paket mit diesen kleinen Duftpröbchen im Glas zu Hause, die gibts fertig als Spiel im Weinhandel zu kaufen (ganz ohne Abo), so ein Spielkasten kostet in der Regel 60€. Und wenn man einen französischen Weinkeller besucht, holen die Oenologen dort auch ihre Orgel heraus oder die zum Wein korrespondierenden Riechgläschen. Dann sollte man sie einfach blind erkennen, wenn sie herumgereicht werden - einfach, damit man nicht wie ein Idiot dasteht. So schwer sind die Aromen nicht herauszuriechen - blind - und es ist eben ein Gesellschaftsspiel. Je öfter man im Urlaub mitmacht, desto weniger albern kommt es einem vor. Will man Weinkeller besuchen, gehört das zu den Regeln dazu. Ich fand es am Anfang auch albern, mittlerweile verlange ich nach der Orgel um wie ein braver Klassenerster Herauslösungen zu können, was es ist! Franzosen bleiben halt im Herzen kleine Schüler, die stämmig im Wettbewerb mit anderen stehen. Es hat eher etwas infantiles. In Berlin kann man so eine Orgel z.B. in den Galleries Lafayette kaufen - dort habe ich meine auch gekauft.
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