Sangiovese ist die Rebsorte der Toskana. Auch wenn sie in ganz Nord- und Mittelitalien heimisch ist, so denken wir bei Sangiovese zuerst an Chianti und Brunello, die beiden berühmtesten Rotweine der bei Deutschen so beliebten Toskana. Doch ob diese auch das Herkunftsgebiet des Sangiovese darstellt, ist unklar. Das hat mit einer Eigenart der Rebsorte zu tun. Sie passt ihre äußeren Merkmale dem Standort an.
Bis vor wenigen Jahren ging man davon aus, dass es sehr verschiedene Unterarten oder Klone des Sangiovese gibt. Etwa den eher kleinbeerigen Piccolo und denn eher großbeerigen Grosso. Diese Unterarten hatten teils eigene Namen, wie etwa Morellino die Scansano oder Brunello. Beides sind gleichzeitig Namen von DOCG-Weinen. (Was DOCG bedeutet beschreibt unsere Folge über Weinetiketten.) Doch dann pflanzten Forscher kleinbeerigen Piccolo in einen Weinberg voller Grosso und siehe da: auch die neu gepflanzten Reben zeigten dicke Beeren. Genetische Untersuchungen belegten: die Pflanzen waren identisch. Morellino und Brunello sind als eigenständige Sorten wieder aus der Sortenliste gelöscht. Sie sind heute Synonyme für Sangiovese in den Regionen rund um Morellino und Im Brunello-Gebiet. Da alle Trauben gleichermaßen Sangiovese sind, kann man heute nicht mit Sicherheit sagen, wo der Sangiovese herkommt, außer: irgendwo aus Italien.
Die erste urkundliche Erwähnung des Sangiovese stammt erst aus dem 16. Jahrhundert. Vielleicht wächst er aber schon seit über 2500 Jahren in Italien. Nichts genaues weiß man nicht. Was man aber weiß, ist dass er nicht sehr pflegeleicht ist. Traditionell füllt man daher Weine aus Sangiovese selten reinsortig, sondern meist als Cuvée mit 5 bis 30 Prozent anderen Rebsorten. Die Idee war, dass man die anderen Weine verwenden konnte, um eventuelle Defizite des spät reifenden Sangiovese auszugleichen.
Spät heißt in diesem Fall, die Ernte fällt oft in den Oktober, wenn die anderen örtlich üblichen Rebsorten bereits geerntet sind. Selbst in der Toskana kann der Oktober ungemütlich und feucht werden. Bevor die Feuchtigkeit zu Fäulnis führte, war dann die Versuchung groß, den Sangiovese zu ernten, auch wenn er noch nicht optimal reif war. Und dann kamen die vollreifen bereits geernteten Weine aus anderen Sorten gerade recht. Allerdings ist dies eher ein Problem vergangener Tage. Mit dem heutigen Wissen über Weinbau gelingt es regelmäßig reifen Sangiovese zu ernten.
Der Sangiovese ist eine eher dünnschalige Sorte mit mittelmäßiger Farbausbeute. Die Zugabe von etwas Canaiolo, einem tiefdunkelroten Wein, gehört daher zum Standard im Chianti-Gebiet. Im Brunello ist die Zugabe verboten. Der Brunello ist per Gesetz reinsortig. Diesen Spitzenwein gibt es allerdings erst seit dem Jahr 1961, seit den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts konnte er sich zunehmend als einer der besten Rotweine Italiens etablieren.
Sangiovese ergibt mittelschwere Weine, die aromatisch sehr fruchtig mit an Pflaume und Kirsche erinnernden Aromen zu Jedermanns Liebling gehören. Einfache, sehr gelungene Weine aus der Rebsorte gibt es für deutlich weniger als 10 Euro. Diese sind oft nicht 100 Prozent reinsortig – selbst wenn nur Sangiovese auf dem Etikett steht – aber die Rebsorte ist geschmacklich dominant und die Anteile Fremdwein schlagen nicht so durch wie bei anderen Cuvées. Neben einem einfachen Wein empfehlen wir noch einen guten Chianti, bevorzugt aus dem Kerngebiet des Chianti. Diese tragen die Bezeichnung Chianti Classico. Die herausragenden Exemplare kosten zwischen 15 und 25 Euro und sind jeden Cent wert. Viele Chianti bieten tatsächlich ein ganz besonderes Weinerlebnis für vergleichsweise wenig Geld. Auch im Weinpaket der Webweinschule findet sich ein Chianti.
Kultweine sind vor allem viele der berühmten Weine aus dem Brunello-Gebiet. Der Ur-Brunello von Biondi-Santi, der Il Greppo kostet über 100 Euro, die Riserva sogar annähernd 500. Doch es gibt eine ganze Armada an sehr guten Brunello unter 50 Euro, wie zum Beispiel den Castel Giocondo von Frescobaldi. Wir fanden viele Brunello in den letzten Jahren jedoch etwas übertrieben konzentriert und alkoholstark. Es lohnt sich, sich auch mal anderen Weinen zuzuwenden. Reinsortige Sangiovese in der Kultliga sind außerhalb des Brunello-Gebietes allerdings selten. Die sogenannten Super-Toskaner wie Tignanello oder Sassicaia setzen auf Cuvées mit Cabernet Sauvignon und anderen Rebsorten, zu denen häufig, aber nicht immer, auch Sangiovese gehörte.
Der einzige reinsortige Sangiovese unter den Super-Toskanern war lange der Le Pergole Torte vom Weingut Montevertine. Über die Jahre kamen nur eine Hand voll andere dazu. Der jüngste unter diesen Neuzugängen ist der Reimitz. Klaus Reimitz stammt aus Deutschland, hat aber 25 Jahre lang als Kellermeister eben jenen Le Pergole Torte verantwortet. Und nach seinem Ausscheiden beim Weingut Montevertine hat er sich dann einen Hektar feinste Sangiovese-Lage gepachtet und macht da jetzt ganz entspannt den Reimitz. Der ist klein und fein und sehr selten, aber gerade in Deutschland ganz gut zu kriegen.
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